Es lebe der Geldautomat – EZB glaubt nicht an die Abschaffung von Bargeld

Es scheint ein schleichender Prozess zu sein, der in manchen Ländern bereits fast Realität ist. Die Rede ist von der Bargeldabschaffung beziehungsweise -eingrenzung. Es gibt in Europa Stimmen, die die Abschaffung des Bargeldes als unproblematisch oder gar sogar notwendig ansehen. Es bestehen aber auch Ängste vor einer Realisierung von George Orwells‘ Werk „1984“ und dem totalen Überwachungsstaat, denn die Abschaffung der Barzahlung würde dazu führen, dass jedweder Geldverkehr, bis hin zum Kauf eines Päckchens Zigaretten, kontrollierbar wäre.

EZB glaubt nicht an bargeldlose Gesellschaft

Ein im April publik gemachter Fall sorgte für Aufsehen. Ein Elektronikhändler verlangte für eine Barzahlung an der Kasse 25 Euro Gebühr. Schnell schob die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg diesem Vorhaben einen Riegel vor. Der Vorfall führte aber zu heftigen Diskussionen. Wohl auch aufgrund der grundsätzlichen Einstellung vieler Deutschen zum Bargeld. Geprägte und gedruckte Zahlungsmittel setzen viele Bundesbürger mit uneingeschränkter Freiheit gleich.

Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Bundesregierung rechnen auch nicht mit einer vollständigen Durchsetzung von digitalen Zahlungsmitteln. Laut Bundesbankvorstand Thiele zirkulieren derzeit sogar mehr Banknoten in Europa als je zuvor. Zum Ende des Jahres 2016 soll Euro-Bargeld im Wert von 1,126 Billionen Euro im Umlauf gewesen sein. Der Anteil an Kartenzahlungen nimmt zwar im Einzelhandel beständig zu, dennoch ist Deutschland nach wie vor ganz klar ein Land der Barzahler. Immer noch werden mehr als die Hälfte aller Umsätze in bar an der Kasse getätigt.

Keine Ersparnis durch bargeldloses Zahlen

Entgegen der häufigen Meinung, digitales Zahlen sei billiger, bilanziert das Bundeswirtschaftsministerium: Zahlungen mit Kreditkarte oder Debitkarte sind durchweg teurer als Barzahlungen. Das geht sehr deutlich aus einem im April veröffentlichten Gutachten des wissenschaftlichen Beirats im Bundeswirtschaftsministerium hervor.

Staat möchte digitale Zahlungen nicht beschleunigen

In vielen europäischen Nachbarländern ist das bargeldlose Zahlen kleiner Beträge ausgeprägter als in Deutschland. In Schwedens Großstädten z.B. nehmen viele Parkuhren gar kein Bargeld mehr an und sogar die Kirchenspende funktioniert per Automat. Auch in London zahlt man mittlerweile auch kleine Beträge vom Kaffee bis zur Busfahrkarte nicht mehr aus der Kleingeldbörse. In Deutschland sind die Bürger diesbezüglich schwerfälliger. Glaubt man dem ING-Diba Chefökonom Carsten Brzeski, so werden Restaurantbesuche, Taxen oder andere öffentliche Verkehrsmittel noch immer überdurchschnittlich oft mit Münzen und Scheinen bezahlt. Deutschland ist und bleibt wohl noch sehr lang das Land der Barzahler. Anlass dazu, die digitale Bezahlung voranzutreiben, sieht die Politik nicht, zumal das Bundeswirtschaftsministerium weiter daran festhält, dass eine Bargeldobergrenze nicht zwingend zu einer erfolgreichen Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität führen muss. Nur weil sich die Verwendung von Bargeld auf dem Rückzug befinde, solle man deshalb nicht auch noch von Politikseite diesen Prozess beschleunigen.

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“

Analog ließe sich sagen: Niemand hat anscheinend die Absicht das Bargeld in nächster Zeit abschaffen zu wollen. Wohl auch die meisten Politiker nicht. Das ist auch gut so, denn wir dürfen die beunruhigenden Faktoren einer Entwicklung weg vom Bargeld nicht außer Acht lassen.  Autoren wie Michael Brückner weisen zurecht auf die Gefahren einer Bargeldabschaffung hin, wie zum Beispiel:

Ausgeliefert zu sein

Der Verbraucher ist der finanziellen Repression ausgeliefert. Wenn es keine Scheine und Münzen mehr gibt, ist der Bürger gezwungen, sein Geld auf dem Konto zu horten. Gerade aber in den aktuellen Zeiten der Negativzinsen und Kontogebühren ist dies eine ernüchternde Vorstellung. Hinzu kommt die Kontrollierbarkeit der Geldflüsse. Theoretisch ist sogar der Kauf von Zigaretten und Alkohol nachvollziehbar, was z.B. mit Zuschlägen für die Krankenkasse „geahndet“ werden könnte.

Von Enteignung bedroht zu werden

Ist das Vermögen digital auf dem Bankkonto, haben Institutionen bis hin zum Staat einen besseren Zugang und können nach Belieben Bürger zur Kasse bitten. Ist das Konto gesperrt, geht nichts mehr. Denn eine Notreserve Bargeld in der Keksdose gibt es dann nicht mehr.

Zum Gläsernen Sklaven zu werden

Bereits jetzt geben wir freiwillig Dutzende an Informationen im Internet preis. Facebook, Twitter, Instagram und Google lassen grüßen. Aber auch mit der Nutzung von EC-Karten, Kreditkarten und vor allem Rabatt- und Einkaufskarten machen wir unser Kaufverhalten gläsern.

Gänzlich Abhängig von Technik

Wenn die Technik versagt, können wir nicht bargeldlos bezahlen. Auch nicht jeder, gerade ältere Menschen, kommen mit der Technik ohne weiteres klar. Scheine und Münzen funktionieren hingegen immer.

Diese Autoren warnen nicht, um Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen. Sie wollen vielmehr den Verbraucher zurecht darauf aufmerksam zu machen, welche Folgen eine Abschaffung von Bargeld und Geldautomaten mit sich bringen kann.

Daseinsberechtigung für Geldautomaten ungebrochen

Alles in allem lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass Geldautomaten nicht so schnell aus unserer Umgebung verschwinden werden wie einst die Telefonhäuschen. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die für die Nutzung von Bargeld sprechen:  Von der schon erwähnten Unabhängigkeit von funktionierender Technik bis hin zu dem Gefühl der Freiheit. Es gibt aber auch noch ganz pragmatische Gründe für die Bargeldnutzung: Viele Menschen heben z.B. bewusst einen bestimmten Betrag von Ihrem Konto ab der für einen bestimmten Zeitraum reichen muss um sich selbst und die getätigten Ausgaben damit besser kontrollieren zu können. In Zeiten von schließenden Bankfilialen ist das auch die Chance für bankenunabhängige Geldautomatenaufsteller. Es lebe also das Bargeld und der Geldautomat!

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